Vier Bewerber standen Rede und Antwort Peter Reichert, Bernhard Martin, Detlef Weiss und Rudi Joho (oben v.l.)am Podiumstisch mit Moderator Arndt Zimmermann (l.) vor vollem Haus in der Stadthalle. (Fotos: Hubert Richter)(hr) In der offiziellen Kandidatenvorstellung der Stadt Eberbach hatten heute Abend die Wählerinnen und Wähler im großen Saal der Stadthalle die Gelegenheit, die Bewerber für die Bürgermeisterwahl am 21. Oktober kennenzulernen und zu befragen. Der Andrang war riesig.
Ab der Hallenöffnung um 18 Uhr strömten die Menschen in den Saal, um einen der rund 650 Sitzplätze zu ergattern. Das Interesse an der Veranstaltung war so groß, dass die Stühle bei weitem nicht ausreichten und rund 100 Zuhörer mit Stehplätzen vorlieb nehmen mussten. Wegen der baurechtlich begrenzten Besucherzahl mussten zahlreiche Interessierte draußen bleiben.
Unter der Moderation von Hauptamtsleiter Arndt Zimmermann lief die Veranstaltung nach den Vorgaben des Gemeindewahlausschusses ab. Jeder Bewerber hatte 15 Minuten Zeit für seine Vorstellungsrede, der die anderen Kandidaten nicht beiwohnen durften. Nach der Vorstellungsrunde blieb noch Zeit für Fragen der Bürger an die Bewerber.
Vier der sechs Kandidaten nahmen teil. Abgesagt hatten der 25-jährige Student Aron Kraft aus Mainz und die 39-jährige staatl. anerkannte Erzieherin Claudia Agnes Henn aus Eberbach, die gesundheitliche Gründe für ihr Fernbleiben anführte. Die Vorstellungsrunde erfolgte in der Reihenfolge der Bewerber auf dem Stimmzettel.
Peter Reichert (47 Jahre, Bürgermeister) ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Er ist seit rund neun Jahren Bürgermeister in Neidenstein und macht kein Hehl daraus, dass der Chefsessel der Stadtverwaltung in Eberbach für ihn eine interessante berufliche Herausforderung wäre. Gleichzeitig präsentiert Reichert sich auf seinen Wahlplakaten als "Chance für Eberbach". Neidenstein hat er als Bürgermeister aus einem Stimmungstief herausgeführt, und das will er in Eberbach auch erreichen. Er möchte mit Ehrlichkeit, Kompetenz und Bürgernähe die Spaltung in der Stadt überwinden, für ein neues "Wir-Gefühl" sorgen und pragmatisch mit den Bürgern nach Lösungen für die anstehenden Probleme suchen. Das steht ganz am Anfang seines Zehn-Punkte-Programms, das er heute vorstellte und in dem er auch auf die Schwachpunkte Eberbachs der letzten Jahre einging: Haushaltskonsolidierung, bessere Planung bei Investitionen, Nutzung der erstellten Gutachten und Konzepte, verbesserte Außenwirkung des Mittelzentrums Eberbach, optimale Bedingungen für Gewerbe und Tourismus, zeitgemäße Rahmenbedingungen für alle Generationen, optimierte effiziente und bürgernahe Verwaltung, Information und Transparenz den Bürgern gegenüber und der Ausbau Eberbachs als Ökostandort. Reicherts Rede, die durchaus Seitenhiebe auf den Amtsinhaber enthielt, wurde am Ende mit kräftigem Applaus bedacht.
Bernhard Martin (48 Jahre, Bürgermeister) ist seit 16 Jahren Stadtoberhaupt in Eberbach und möchte das gerne für weitere acht Jahre bleiben. Der verheiratete Vater dreier Kinder schilderte seinen Werdegang und verwies auf das gelebte Miteinander in Eberbach, das viel mehr sei als nur ein "Wir-Gefühl". Im Hinblick auf den Streit ums Dr.-Schmeißer-Stift leugnete er einen Graben bzw. eine Spaltung, die sich angeblich durch Eberbach ziehe. Durch die Randlage sei Eberbach in vielerlei Hinsicht auf sich selbst gestellt, was den Erhalt der vielfältigen Angebote sehr teuer mache. Im Mittelpunkt müsse stehen, den Kindern die bestmöglichen Chancen zu bieten, insbesondere auch für Familien mit Migrationshintergrund. Die Förderung von Kultur und Sport sei wichtig für Eberbach als Gewerbe- und Wohnstandort. Martin wolle sich für den Erhalt des Krankenhauses und einer guten Ärzteversorgung einsetzen. Er zählte Beispiele für die jetzt schon gute Außendarstellung Eberbachs auf. Bei der Bebauung Neckarstraße müsse man die Verhandlungen mit dem Investor abwarten: "Bebauung ja, aber nur wenn sie verträglich ist" sei hier sein Motto. Wichtig seien auch Barrierefreiheit und Angebote für Senioren. Für das Dr.-Schmeißer-Stift habe er als Vorsitzender des Stiftungsvereins Vorschläge unterbreitet, die allerdings von der Mitgliedermehrheit abgelehnt worden seien. Martin habe klare und ehrgeizige Ziele, an denen er sich nach acht Jahren gerne messen lassen wolle. Aus Fehlern, die niemand ausschließen könne, wolle er lernen. "Neue Besen kehren vielleicht gut, aber die alten kennen die Ecken", warb Martin abschließend für seine Wiederwahl.
Detlef Weiss (54 Jahre, examinierter Gesundheits- und Krankenpfleger i.R. und geprüfter Graphologe) trat heut erstmals bei einer Veranstaltung zur kommenden Bürgermeisterwahl auf. Bisher hatte er sich eher bedeckt gehalten. Er war bei der Bürgermeisterwahl 2004 schon einmal gegen Bernhard Martin angetreten und hatte einen Stimmenanteil von 5,24 Prozent erreicht. "Innovation" hat er seinen heutigen Vortrag überschrieben. Er sprach im Sitzen, weil auch das ungewöhnlich und damit innovativ sei. Auch Weiss schilderte seinen beruflichen Werdegang. In Eberbach solle die Stimmung steigen und die Verschuldung sinken, meinte er und präsentierte sogar einen "15-Punkte-Plan". Dazu gehören für ihn mehr Transparenz, Konsolidierung der Finanzen, Bürgerbeteiligung, sinnvoller Umgang mit Fördermitteln, Erhalt des Dr.-Schmeißer-Stifts für betreutes Wohnen oder für ein Studentenwohnheim, Grünanlage und Parkplätze statt Bebauung an der Neckarstraße, der Erhalt des ärztlichen Notdienstes, mehr Unterstützung für Landwirte und eine bessere Ausstattung der Feuerwehr. Außerdem ein Kino, eine Tanzbar und ein Fastfood-Restaurant an der B37 gegenüber Rockenau. Frühlingsfest und Kuckucksmarkt will Weiss wieder attraktiver machen, die Innenstadt beleben, sie als Erlebnisraum fördern und professionell vermarkten. "Holen wir uns unser geliebtes Eberbach zurück", rief Weiss zur Wahl auf.
Rudi Joho (49 Jahre, selbstständiger Vermögensberater) ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Der gebürtige Eberbacher ist Vorsitzender der örtlichen Reservistenkameradschaft. Bewusst habe er bei seiner Kandidatur auf parteipolitische Unterstützung verzichtet, um unabhängig zu sein. Joho erläuterte, dass er durchaus auch ohne Verwaltungsausbildung als Bürgermeister geeignet sei. Schließlich sei Minister Gerhard Weiser von Beruf Landwirt gewesen. Erwarten könne man von ihm Ehrlichkeit, Klartext und Transparenz. Die Haushaltskonsolidierung stehe für ihn an erster Stelle. Investitionen müssten genau überlegt und durchkalkuliert werden, Gutachten und externe Beratungen wolle er auf ein Mindestmaß zurückführen. Mit ganzer Kraft und neuen Ideen müsse man am Image der Stadt arbeiten um die Bedeutung Eberbachs in der Region wieder zu steigern. Wichtig für Joho seien weiterhin die Wirtschaftsförderung, sanfter Tourismus (zum Beispiel eine Art "Heuhotel" am Breitenstein) und der Ausbau einer vorhandenen Großküche. Ein klares "Ja" äußerte er zum Dr.-Schmeißer-Stift als Seniorenwohnheim. In der Amtsführung und Informationspolitik wolle er alle Karten offen auf den Tisch legen, "ohne Salamitaktik". Im Falle seiner Wahl versprach er neue Energie und frischen Wind. Auch Joho erhielt besonders lautstarken Beifall für seine Rede.
An die Vorstellung der Bewerber schloss sich eine Fragerunde an. Eberbacher Bürger konnten Fragen an einzelne oder mehrere Bewerber richten. Diese hatten dann jeweils drei Minuten Zeit für ihre Antwort. Dabei wurden mehrere Themen gestreift, die von den Bewerbern bereits in ihren Vorstellungsreden angesprochen wurden. In etlichen Fragen an Bernhard Martin wurden unter anderem die Verschuldung der Stadt und besonders die Kostenexplosion am Hohenstaufen-Gymnasium gerügt. Martin erläuterte die Gründe und Einflussfaktoren bei dem langjährigen Sanierungsprojekt des HSG, gab aber auch zu, gegenüber Vertragspartnern etwas zu vertrauensselig gewesen zu sein. Peter Reichert monierte auf eine Frage zum Sanierungsgebiet Neckarstraße Konzeptlosigkeit angesichts des drohenden Fristablaufs für Zuschüsse zu den Parkplätzen.
Einen eindeutigen Favoriten für den Wahlausgang zeigte die gut dreistündige harmonische Veranstaltung heute nicht. Wenn der Applaus nach den Vorstellungsreden ein Indikator ist, haben Peter Reichert und Rudi Joho gute Chancen. Bernhard Martin konnte besonders in der Fragerunde sein Insiderwissen mit gewohnt geschliffener Rhetorik ausspielen, während Detlef Weiss sich bei den Antworten zurückhielt und häufig auf seine anfänglichen Ausführungen verwies.
12.10.12
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