Willkommen im kommunalen Dschungelcamp (Foto: Thomas Wilken)(tom) Ein Haushalt für 2025, der Ende Oktober verabschiedet wird? Dass dies ungewöhnlich ist, wurde kürzlich in der Oberzent-Stadtverordnetenversammlung mehrfach kritisch hinterfragt – allerdings nicht unbedingt mit dem mahnenden Zeigefinger Richtung Verwaltung. Denn „Schuld“ waren die für eine Genehmigung nötigen Jahresabschlüsse, die nun alle vorliegen. Bürgermeister Christian Kehrer verwahrte sich gegen entsprechende Vorwürfe: „Wir schlafen nicht“, betonte er.
GroĂźe Sprünge lassen sich mit dem Zahlenwerk in den verbleibenden zwei Monaten ohnehin nicht mehr machen. Es weist einen kleinen Ăśberschuss von 50.000 Euro auf – der allerdings nur zustande kommt, weil mehrere Einmaleffekte zusammenwirken. Der größte davon: Aus dem Holzverkauf werden durch zusätzlichen Einschlag 850.000 Euro Gewinn erwartet. Das ist jedoch nichts, was sich im kommenden Jahr einfach wiederholen lieĂźe.
Ă„hnlich verhält es sich mit den höheren Gewerbesteuereinnahmen, deren negative Auswirkungen zwei Jahre später wie ein Bumerang zurückkommen, wenn es um Zuschüsse geht. Bleibt noch die Grundsteuererhöhung. An dieser Schraube wurde rückwirkend bereits in diesem Jahr gedreht. Zu oft will man das allerdings auch nicht tun – es droht die Gefahr der Ăśberhitzung dieser Stellschraube.
Chris Poffo (ĂśWO) versuchte die Finanzmisere mit Galgenhumor zu betrachten. „Willkommen im kommunalen Dschungelcamp“, überschrieb er sein Statement. Denn Gremien und Bürger mussten Prüfungen absolvieren, die im übertragenen Sinne „schmerzhaft und eklig“ waren: Grundsteuererhöhung, weniger Schlüsselzuweisungen und stetig steigende Kosten.
Oberzent schippert mit einem wackeligen Kutter auf einem unruhigen Gewässer – und das mit einer Rettungsweste, die schon bessere Tage gesehen hat, sagte Poffo. Im kommunalen Bereich sei zumindest eines sicher: Die Bürokratie wachse und gedeihe prächtig. Die vielzitierte Entbürokratisierung „bleibt, wie so oft, ein schöner Traum“. Pragmatisches Handeln? Fehlanzeige, monierte er.
Eine Flächenkommune wie Oberzent habe „viel Fläche, wenig Menschen, hohe Kosten“, so Poffo. Diese Rechnung gehe ohne ausreichende Unterstützung von Land und Bund einfach nicht mehr auf. Am Ende des Monats zähle das, was im Geldbeutel übrigbleibe. „Und da ist die Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen irgendwann am Limit.“ Auf Dauer könne man nur bestehen, „wenn wir es schaffen, die Abwanderung von Familien und Gewerbe zu verhindern“.
Fraktionssprecher Stefan Reinhardt (SPD) betonte mit Blick auf die Zeitschiene, dass die Stadtverordneten nicht MaĂźnahmen und Projekte im Rückblick billigen und absegnen, sondern gemeinsam mit Magistrat und Verwaltung vorausschauend planen und agieren sollten. Er erinnerte daran, dass die Kommunalaufsicht bereits 2024 das viel zu hohe Investitionsvolumen als „unwahrscheinlich“ und „von der Verwaltung als nicht umsetzbar“ bezeichnet habe.
Das setze sich im laufenden Jahr fort. Wie viele der noch offenen 4,2 Millionen Euro könnten denn tatsächlich noch investiert werden, fragte sich die Fraktion. Für die Planungen 2026 fordert die SPD ein frühzeitiges Handeln. Man müsse wieder in die Lage versetzt werden, einen Haushalt proaktiv mitzugestalten.
Walter Gerbig (CDU) bezeichnete die Investitionen in die Infrastruktur als Schwerpunkt. Man solle den letzten Schritt gehen und die Hausanschlussleitungen ebenfalls an den Abwasserverband übertragen, so sein Wunsch. Das Industriegebiet Zieglersfeld sollte voll erschlossen, die Infrastruktur erstellt und gesetzeskonform gestaltet werden – hier schloss er sich Poffo an.
Die Attraktivität der Stadt und ein wachsender Zuzug müssten ein politisch wichtiges und gewolltes Ziel sein, forderte Gerbig. Als Thema der nächsten Jahre nannte er die Innenentwicklung des Zentrums von Beerfelden. Mit den neuen Wirtschaftsförderern sollten Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden. Zur Generierung von Einsparpotenzialen bei der städtischen Gebäudewirtschaft sei ein Konzept über deren energetischen Zustand wünschenswert.
Elisabeth Bühler-Kowarsch (Grüne) ging ebenfalls auf die desaströse finanzielle Lage der Kommunen ein. Von Land und Bund gebe es nicht mehr Geld, und die Stadt könne die Grundsteuer nicht beliebig erhöhen. Sie äuĂźerte deshalb ihr Unverständnis darüber, dass nicht endlich am oberen Ende der Einkommensskala die Einnahmen des Staates gestärkt werden.
Als kleine Lichtblicke bezeichnete die Fraktionssprecherin – wie auch Gerbig – das gute Angebot an Kindergartenplätzen und die Arbeiten am Bahnhof Hetzbach. Auch die orangefarbenen Bänke, die Gemeinwesenarbeit und die Gemeindepflegerin wurden lobend erwähnt.
29.10.25
|