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Nachrichten > Kultur und Bildung

Die Tradition der beliebten Museumskonzerte lebte wieder auf


(Foto: Hubert Richter)

(bro) (khm) Der Schubertsche Liederzyklus „Die Winterreise“ wurde am vergangenen Samstag im vollbesetzten Alten Ratssaal des Stadtmuseums von Hans-Josef Overmann (Bariton) und Adelheid Lechler (Klavier) vorgetragen. Es lebte damit auch die Tradition der beliebten Museumskonzerte wieder auf.

Beide Künstler sind in Eberbach keine Unbekannten. So hörte man schon 2005 bei einem „Winterreise-Liederabend“ zusammen mit Günter Däubler am Klavier den Bariton Hans-Josef Overmann, der mit der Pianistin Adelheid Lechler 2014 auch eine kammermusikalische Fassung von Mozarts “Figaros Hochzeit dirigierte, die das Publikum begeisterte. Angekündigt wurde jetzt für Juni 2016 eine ähnliche Fassung von Mozarts „Così fan tutte“, was wiederum ein reizvolles musikalisches Erlebnis besonderer Art verspricht. Erwähnt sei auch ein Winterreise-Konzert 2002 mit Preisträgern des Deutschen Musikrats bei den Eberbacher Kunstfreunden, die am 12. Februar Schuberts hochvirtuose „Wandererphantasie“ bieten, die thematisch wie die “Winterreise“ auf einer melancholischen Dichtung beruht: “Des Fremdlings Abendlied oder der Wanderer“ (von G. Ph. Schmidt-Lübeck). Deren berühmtester Vers “Da, wo du nicht bist, ist das Glück“ umschreibt auch die Empfindungen des Wanderers in der “ Winterreise“ mit den melancholischen Gedichten von Wilhelm Müller (1794-1827), dem berühmten Unbekannten der deutschen Literatur, Philhellenen und Propagandisten des griechischen Freiheitskampfs im 19. Jahrhundert.

Die „Winterreise“ Schuberts selbst gilt als „das Vermächtnis seiner Vertonungskunst, als ein Meisterwerk der deutschen Liedkunst“. Thomas Mann nannte sie 1949 „den besten Zyklus der Welt in seiner Verzweiflung sonder gleichen“. Schubert selbst hatte sie 1827 Freunden so angekündigt: „Ich werde euch einen Zyklus schauerlicher Lieder vorsingen. Ich bin begierig zu sehen, was ihr dazu sagt. Sie haben mich mehr angegriffen, als dieses je bei anderen Liedern der Fall war“. Und in der Tat ist es „ein beklemmend geniales Werk“ das an Interpreten höchste Anforderungen stellt. Ist es doch nicht wie beim jüngeren Zyklus der „Schönen Müllerin“ (ebenfalls von Müller) so, dass eine Geschichte linear erzählt wird von der Entstehung einer Liebe bis hin zum bitteren Ende, nämlich dass ein junger Müllersbursche auf Wanderschaft sich in eine schöne, aber untreue Müllerin verliebt, worauf dieser im Mühlbach den Tod sucht. In der „Winterreise“ dagegen wird in 24 Gedichten der „Nachklang einer enttäuschten Liebe, die schon vor dem ersten Lied ihr Ende gefunden hat, geschildert. Also „ziehen Liebesleid, Empörung und Verzweiflung eines Enttäuschten ohne Hoffnung in der ganzen Liederfolge am Zuhörer als Zeugen dieses Schicksals vorbei“. Die Worte „Reise“ und „Winter“ stehen dabei metaphorisch für „Fremdsein und heimatloses Suchen“ bzw. „kalte eisige Hoffnungslosigkeit“. Die Interpreten haben also die anspruchsvolle Aufgabe, eine drohende “Monotonie der Melancholie“ zu meiden durch Herausstellen der vielen Nuancen des Düsteren bei Schubert, seiner Musikdramatik, Tonmalerei, eindrucksvollen Stimmungsregie, die erinnertes Glück, Verzweiflung Resignation, Ironie und Empörung kontrastreich einander gegenüber stellt, ohne dass es je dabei je larmoyant, weinerlich, rührselig zugehen darf. Man denke nur an den prometheisch gegen die Verzweiflung rebellierenden Satz: “Will kein Gott auf Erden sein, sind wir selber Götter“ („Mut“; Nr. 22), der hier auch trotzig mit scharfen Klavierakzenten vorgetragen war.

Man sollte an Albert Schweitzer denken, der einmal meinte, ein Wald könne nicht geschildert werden, indem man alle Bäume aufzähle. Herausgegriffen seien also Details, welche die Leistung der Interpreten würdigen. Deren sofort erkennbare stimmlichen bzw. pianistischen Qualitäten, gepaart mit musikantischer Einfühlung und gegenseitigem Einverständnis garantierten dabei allein schon eine gute Darbietung. Hervorgehoben sei besonders auch die gute, jederzeit verständliche Artikulation Overmanns, die das Fehlen eines Liedertextes fürs das Publikum daher nicht so sehr vermissen ließ.

Zu den vom Publikum besonders geschätzten Liedern gehört sicher „Der Lindenbaum: Am Brunnen vor dem Tore“ (Nr.5), das Lied, welches dem Schubertfreund Schober als einziges seinerzeit gefiel, und das Friedrich Silcher (1789-1860) durch Chorbearbeitung mit einer strophisch gleichmäßigen Hauptmelodie zum behaglichen Volkslied machte, aber auch aus seinem düsteren Zusammenhang löste. Für Thomas Mann war es „ein Volksgut und Meisterwerk“. Die Interpreten hatten also ein Meisterwerk darzubieten, das zum Volkslied geworden ist. Doch wussten sie mit trotzigem Stimmklang, energischem Klavieranschlag, deutlichem Dur-Moll-Wechsel und unruhiger Bewegung die Stimmung im Verlauf so zu wenden, dass in dieser „Erinnerungstragödie“ der Kontrast zwischen vergangener, nur eingebildeter Liebesidylle und der bitteren Erkenntnis der Wirklichkeit deutlich spürbar wurde, etwa besonders da, wo diese Einsicht mit dem bildlichen „Die kalten Winde bliesen mir grad ins Gesicht“ einprägsam gezeigt war.

Im „Frühlingstraum: Ich träumte von bunten Blumen“ (Nr.11) merkte man so richtig, wie die Interpreten sich für Schubert begeisterten. In dem zweiteiligen Gedicht zu jeweils drei Strophen führten sie auf kleinstem Raum einen typischen Stimmungswechsel à la Schubert vor. In Strophen 1 / 4 hörte man in hellem A-Dur und pastoralem Rhythmus von dem Liebestraum des Wanderers, darauf folgte in Str. 2 / 5 in wilden Ausbrüchen das jähe Erwachen daraus, in Tonmalerei versinnbildlicht durch das Krähen von Hähnen und Rabenschreie, realistisch nachgeahmt vom Klavier. Zum Schluss (Str. 3 / 6) ein trauernder Nachklang. Zu Tonmalerei hatte die Pianistin indes öfters Gelegenheit, die sie gern und gut nützte, etwa mit dem Knarren der „Wetterfahne“ (Nr.2), de geradezu prä-impressionistisch auffassbaren ab- und aufsteigenden Tonfolgen, die wohl fallende und aufgewirbelte Blätter anzeigen („Letzte Hoffnung“, Nr.16), oder dem Grollen der Wachhunde und Klirren von deren Ketten („Im Dorfe“, Nr.17).

Faszinierende Stimmungsregie Schuberts evozierten die Künstler eindrucksvoll auch im Eröffnungslied des zweiten Teils “Die Post: Von der Straße her ein Posthorn klingt“ (Nr.13), indem sie dieses kurze Seelendrama mit wohl differenziertem Klavier- und Stimmklang buchstäblich zum Hören brachten. Das Gedicht schildert eine zeitlose Szene: Jemand erwartet sehnsüchtig einen Brief der Geliebten. Die Post kommt, aber kein Brief. Hier ist alles deprimierender. Der Wanderer weiß schon: „Die Post bringt keinen Brief für dich“. Die Pianistin musizierte zuerst beschwingt in frohem Es-Dur und mit stakkatierten Achteltriolen die Tonmalerei eines Pferdegetrappels und dazu die einer unüberhörbaren Posthornfanfare in munterem Rhythmus. Man konnte wirklich meinen, wie schon verglichen, man höre hier den Anfang einer „Lustspielouvertüre zu einer Tragödie“ Und es änderten sich dann auch Tonfall und Spielweise wegen der schon erwarteten Enttäuschung, welche der Wanderer sich eingestand in gleichsam ironische Selbstbefragung: Warum die ganze Aufregung? Doch kein Brief!. Der Rhythmus wurde zögerlicher. Eine leise, gedämpftere Tonwelt in Moll wurde von den Interpreten aufgetan, wie wenn eine Wendung von Außen in einen inneren Bereich sich vollzöge.

Das Lied “Der Wegweiser“ (Nr.19) verweist uns auf die Straße, „die noch keiner ging zurück“, da sie zum „Totenacker“ führe. Darauf das Lied. „Das „Wirtshaus: Auf einen Totenacker hat mich mein Weg gebracht“ (Nr.21); denn für diesen steht symbolisch hier ohne Anflug von Liederlichkeit das mit Gästen überfüllte Wirtshaus, welches den Wanderer nicht aufnehmen kann, seinen Todeswunsch nicht erfüllt. Das Klavier gestaltete die Einleitung wie eine getragen weihevolle Trauermusik. Thrasybulos Georgiades (1907-1977), bedeutender Musikforscher, 1948-56 in Heidelberg, empfand, das Vorspiel erwecke „die Vorstellung eines Leichenzuges: „Nun bleibt der Zug stehen, die Bahre wird abgesetzt … und wir vernehmen den Sänger. Abseits von der Begebenheit, wünscht er sich in den Sarg, den er dort sieht“. Mit der Betonung dieser Art feierlicher Choralmusik in dichtem akkordischen Klaviersatz unter den Melodietönen wollten die Interpreten wohl auch schweres, müdes Gehen malen und suggerieren.

Der große Sänger und Interpret Dietrich Fischer-Dieskau schrieb, dass im Zyklus „gleichsam der vollständigste Schubert“ vorliege. Die eindrucksvolle Darbietung des Meisterwerks wird diese Worte bestätigt haben, dass man in der Liederfolge Schuberts ganze geniale Vielfältigkeit – sozusagen „in parte pro toto“ erleben kann, sogar dass Schubert hier kompositorische Kunststückchen nicht vergisst, etwa in dem Lied „Die Nebensonnen“ (Nr. 23) das von drei „Sonnen“, der Sonne und den beiden Augen der Liebsten, handelt, in A-Dur (drei Kreuze) sowie im 3/4-Takt steht und drei Abschnitte hat.

Am Schluss der “Der Leiermann“ (Nr. 24) mit seiner gut herausgestellten monotonen Struktur eines wie im Kreise sich drehenden Liedes, das nachfühlbar vermittelt, dass diese Winterreise kein (Todes)ende des Wanderers kennt, sondern nur einen fortgesetzten Leidensweg, den er dem bettelnden Leiermann anbietet.

Es folgte beim Publikum darauf ein lang währendes Schweigen, das in seiner Ergriffenheit spürbar dem Eindruck zu verdanken war, den die Künstler mit ihrer Darbietung dieser „beklemmend genialen“ Liederfolge bewirkt hatten. Und es gehört ja auch schon zum guten Ton, dass man im Falle der „Winterreise“ wie nach dem ersten Parsifal-Akt oder der Matthäus-Passion keinen Beifall spendet und es keine Zugabe gibt. Das höflich dankbare Publikum ließ sich den reichlich zu spendenden Beifall dann doch nicht nehmen, welchen es in instinktiv richtigem Empfinden lange zurückgehalten hatte.


01.02.16

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